Jahrelang stand sie relativ weit oben auf unserer Bucketlist für Reiseziele in Deutschland und als wir auf dem Rückweg von unserem Urlaub im Center Parcs Allgäu waren, haben wir einen Zwischenstopp hier eingelegt: in der Universitätsstadt Tübingen. Einen Tag lang haben wir uns in der Vorweihnachtszeit durch die historische Altstadt mit ihren Gassen, Fachwerkhäusern und charmanten Plätzen treiben lassen und dabei viele schöne Ecken entdeckt.
Inhalt dieses Reiseberichtes
Wissenswertes über Tübingen
Das baden-württembergische Tübingen liegt malerisch am Neckar, etwa 30 Kilometer südlich der Landeshauptstadt Stuttgart. Mit ihren etwa 93.000 Einwohnern ist Tübingen die zwölftgrößte Stadt Baden-Württembergs. Die Stadt ist mit ihrem Schloss, der historischen Altstadt und zahlreichen bedeutungsvollen Gebäuden von einer fast tausendjährigen Geschichte geprägt. Im Jahr 1078 wurde der Ort erstmals schriftlich erwähnt und erlangte in der Mitte des 12. Jahrhundertes die Stadtrechte.
Die Eberhard Karls Universität Tübingen, gegründet im Jahr 1477, ist eine der ältesten Universitäten Deutschlands und prägt mit ihren 28.000 Studierenden das städtische Leben maßgeblich. Aufgrund der hohen Studierendenzahl ist Tübingen mit einem Altersdurchschnitt von rund 40 Jahren eine der jüngsten Städte Deutschlands.
Eine richtig schöne und detaillierte Übersichtskarte von Tübingen gibt es hier (am besten rechts oben auf “Luftbild 2022” umschalten).
Sehenswürdigkeiten in Tübingen
Wir haben vor unserem Besuch online geschaut, welches Parkhaus sich am besten als Ausgangspunkt für unseren Stadtrundgang eignet. Relativ schnell haben wir uns für das Neckar-Parkhaus in der Wöhrdstraße 7 entschieden (Lage in Google Maps), weil es uns durch seine zentrumsnahe Lage überzeugt hat. Auf dem Weg in die Altstadt kommt man auch an der Touristeninformation vorbei, sodass man sich hier direkt mit Informationen über die Stadt versorgen kann.
Weihnachtsmarkt in Tübingen
An dem Wochenende unseres Besuchs fand der Tübinger Weihnachtsmarkt statt. Und der hat uns wirklich positiv überrascht, denn er ist so ganz anders gewesen als die Weihnachtsmärkte, die wir bisher kannten. Zum einen ist der Weihnachtsmarkt nicht auf einem einzigen Platz, sondern verteilt sich in den vielen verwinkelten Gassen der Altstadt – über 300 lichtgeschmückte Stände stehen hier dicht an dicht und verbreiten weihnachtliche Stimmung. Zum anderen sind nur wenige gewerbliche Anbieter dabei. Der Großteil der Stände wird von lokalen Vereinen und gemeinnützigen Organisationen gestellt. Darüber hinaus ist vieles selbst hergestellt, selbst gekocht und selbst gebacken. Das hat uns total gut gefallen.
Unser Rundgang durch die Altstadt
Tübingen lässt sich am besten zu Fuß erkunden. Hierfür gibt es in der Touristeninformationen eine kostenfreie Broschüre “Tübingen Rundgang durch die Altstadt”, in der zwei verschiedene Rundwege eingezeichnet sind. Es gibt einen kleinen Rundgang und einen großen Rundgang, für den wir uns entschieden haben. Zudem gibt es bei jedem Punkt ein paar nützliche Informationen in der Broschüre, sodass man auch etwas über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten erfährt.
Wer nicht auf eigene Faust unterwegs sein möchte, kann sich einer öffentlichen Altstadtführung anschließen. Diese werden ganzjährig zu unterschiedlichen Zeiten angeboten, dauern etwa 1,5 Stunden und kosten pro Person 10 EUR. Nähere Informationen dazu gibt es hier.
Möchte man lieber eine private Stadtführung, kann man diese auch über GetYourGuide buchen.
Neckarfront und Platanenallee
Nur wenige Schritte von der Touristeninformation entfernt gelangt man auf die Neckarbrücke, von der man den besten Blick auf die malerische “Neckarfront” hat. Das Gebäudeensemble besteht aus der Stadtmauer, bunt gestrichenen Häusern, der Stiftskirche, alten Universitätsgebäuden sowie dem Schloss und ist unzerstört erhalten geblieben. Unterhalb der Neckarbrücke liegt auf der Neckarinsel die malerische Platanenallee. Mit ihren 1828 gepflanzten Platanen gilt sie als die älteste noch bestehende Platanenallee Deutschlands. Bei einem Spaziergang über die Allee eröffnen sich immer wieder schöne Ausblicke auf die Neckarfront. Was wir sehr schade fanden: Von der Brücke führen nur Treppen hinunter zur Neckarinsel, d.h. mit dem Kinderwagen sind wir hier leider nicht weiter gekommen.
Hölderlinturm und Tübinger Stocherkähne
Wir sind daher dem Rundweg in unserer Broschüre gefolgt und sind nach der Neckarbrücke direkt links abgebogen. Hier gibt es einen Weg durch den alten Stadtgraben zwischen oberer und unterer Stadtmauer, der zu Tübingens Wahrzeichen – dem Hölderlinturm – führt. Hier verbrachte der Dichter Friedrich Hölderlin die zweite Hälfte seines Lebens – von 1807 bis zu seinem Tod im Jahr 1843. Im Turm befindet sich eine Ausstellung über sein Leben und seine Werke. Der Eintritt in den Hölderlinturm kostet nichts. Da ein Zugang nicht barrierefrei möglich ist, kann man die Dauerausstellung auch online besuchen.
Am Ufer in der Nähe des Hölderlinturms befindet sich die wichtigste Anlegestelle für Stocherkahnfahrten auf dem Neckar. Die Fahrten sind sehr beliebt und gelten als schönstes Freizeitvergnügen für Einheimische, Besucher und Gäste. Diese werden von Mai bis September täglich angeboten, dauern etwa eine Stunde und kosten pro Person 13 EUR. Jedes Jahr findet hier das berühmte “Tübinger Stocherkahnrennen” statt. Das traditionelle Bootsrennen auf dem Neckar gilt als eines der lustigsten und wildesten Spektakel Tübingens.
Marktplatz & Rathaus
Das Herzstück von Tübingen und ein wichtiger Teil des städtischen Lebens ist der malerische Marktplatz. Aufgrund des Weihnachtsmarktes konnten wir den Markt nicht in seiner vollen Pracht sehen, aber das was wir gesehen haben, hat uns sehr beeindruckt. Geprägt wird der Platz vom imposanten Tübinger Rathaus, ein spätgotisches Gebäude mit einem markanten Turm. Das Rathaus wurde im 15. Jahrhundert erbaut, im Jahr 2015 für 11 Millionen EUR saniert und gilt mit seiner wunderschönen Fassade als beliebtes Fotomotiv.
Die umliegenden Gebäude am Marktplatz spiegeln die reiche Geschichte Tübingens wider. Die Architektur reicht von mittelalterlichen Fachwerkhäusern bis zu barocken Bauten. Darüber hinaus gibt es kleine Läden, gemütliche Cafés und Restaurants, die zum Verweilen einladen. Inmitten des Marktplatzes steht der historische Neptunbrunnen bzw. Marktbrunnen, der verschiedene Skulpturen und Reliefs zeigt.
Dreimal pro Woche (Montag, Mittwoch, Freitag) findet jeweils von 7 Uhr bis 13 Uhr auf dem Marktplatz der Wochenmarkt statt. Vor der historischen Kulisse bieten hier lokale Bauern und Händler frische (Bio-) Lebensmittel, Blumen, Kunsthandwerk, regionale Produkte und überregionale Spezialitäten an.
Kornhaus & Stadtmuseum
Wenn man vom Marktplatz die Marktgasse entlang läuft, steuert man direkt auf das alte Kornhaus aus dem Jahr 1453 zu. Früher wurde hier im Erdgeschoss Getreide gehandelt. Seit 1991 befindet sich in dem Gebäude das Stadtmuseum, das mittwochs bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet ist. Es beherbergt eine permanente Ausstellung zur Stadtgeschichte sowie Wechselausstellungen. Besonders interessant fanden wir die Ausstellung über Lotte Reiniger im 1. Obergeschoss, einer Scherenschnittkünstlerin. Hier konnte unsere Tochter auch selbst aktiv werden und eigene Scherenschnitte basteln, die wir dann über einen Overheadprojektor an die Wand werfen konnten. Das war richtig cool! Der Eintritt in das Stadtmuseum ist frei.
Tübinger Stift
Unser Rundgang führte uns weiter zum Evangelischen Stift auf dem Klosterberg. Das Evangelische Stift Tübingen ist ein ehemaliges Augustinerkloster, das nach der Einführung der Reformation in Württemberg 1534 zu einer herzoglichen Stiftung – einem “Stift” – umgebaut und erweitert wurde. Seit dieser Zeit fungiert es als Ausbildungsstätte für evangelische Theologiestudierende. Hintergrund war die Sicherstellung der Ausbildung von evangelischen Pfarrern im Land. Heute ist das Stift eine Wohn- und Studienstätte, in der etwa 120 Theologie-Stipendiaten wohnen. Seit dem Jahr 1969 sind in dem Stift auch Frauen zugelassen.
Wilhelmsstift, Altes Schlachthaus & Nonnenhaus
Bei unserem Spaziergang durch die Altstadt sind wir auch am Wilhelmsstift vorbeigekommen. Es wurde im Jahr 1590 als ehemalige Ritterakademie erbaut und war bis zum 30-jährigen Krieg die wichtigste Ausbildungsstätte des protestantischen europäischen Adels. Später wurden hier Theologiestudierende ausgebildet und heute fungiert es als Wohnheim.
Das ehemalige Tübinger Schlachthaus in der Langen Gasse 18 ist ein zweigeschossiges Fachwerkhaus mit einem gemauerten Erdgeschoss und einer überdachten Außentreppe. Das Haus (Lange Gasse 18) wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts erbaut, ist also über 500 Jahre alt. Von 1511 bis 1892 befand sich in dem Gebäude das öffentliche Schlachthaus, ab dem Jahr 1896 wurde es als Wohnhaus benutzt, später als städtisches Auktionshaus. Im Jahr 1979 zog der Tübinger Künstlerbund in das renovierte Schlachthaus.
Läuft man an dem Alten Schlachthaus entlang des Ammerkanals vorbei, gelangt man zum Nonnenhaus aus dem 15. Jahrhundert. Zu Beginn war das Gebäude der Sitz karitativ tätiger Frauen. Ab 1535 fungierte es als Wohnhaus des Tübinger Medizinprofessors und Botanikers Leonhart Fuchs, der hier am Ammerkanal einen Kräutergarten mit Arzneipflanzen anlegte. Das war der Grundstein für einen der ersten Botanischen Gärten der Welt. Leonhart Fuchs ist uns bereits auf unserer Reise in die Fuchsienstadt Wemding begegnet, denn hier wurde Leonhart Fuchs – nach dem die Fuchsie benannt ist – geboren. Bei unserem damaligen Rundgang konnten wir sowohl sein Geburtshaus als auch Deutschlands einzige Fuchsienpyramide mit über 700 Fuchsienpflanzen entdecken. Besonders interessant fanden wir, dass Leonhart Fuchs nie eine Fuchsie zu Gesicht bekommen hat: denn als die Pflanze 1695 in Südamerika entdeckt wurde, war er bereits tot. Und Charles Plumier, der Entdecker der Pflanze, wollte den berühmten Botaniker Fuchs mit der Namenswahl ehren und gedenken.
Stiftskirche am Holzmarkt, Schulberg & Alte Aula
Eines der beeindruckendsten Gebäude von Tübingen ist die Evangelische Stiftskirche St. Georg, die majestätisch am Holzmarkt thront. Die Geschichte der Stiftskirche reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Sie wurde von 1470 bis 1490 im spätgotischen Stil erbaut und ersetzte eine ältere Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Da um die Kirche herum gar nicht so viel freier Platz ist und zudem überall die Buden vom Weihnachtsmarkt standen, hatten wir tatsächlich Schwierigkeiten, sie ordentlich und im Ganzen zu fotografieren.
Vom Holzmarkt führt eine steile Straße, der Schulberg, hinauf zum Pfleghof. Hier oben gibt es eine Aussichtsterrasse mit Blick auf die Umgebung und in das Neckartal. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Stiftskirche befindet sich die Alte Aula. Sie diente als Hauptgebäude der Eberhard Karls Universität Tübingen bis zur Fertigstellung der Neuen Aula im Jahre 1845. Heute ist das Gebäude ein Kulturdenkmal und wird noch immer von der Universität genutzt.
Schloss Hohentübingen
Über die Burgsteige und das untere Schlossportal ging es für uns hoch hinauf zum Schloss Hohentübingen, das majestätisch auf dem 372 Meter hohen Schlossberg über der Stadt thront. Das Schloss wurde erstmals 1078 als „castrum twingia” erwähnt, das heißt als “Burg/Festung Tübingen”, die als Schutzanlage diente. Die Herren von Tübingen, die im 12. Jahrhundert in den Pfalzgrafenstand erhoben wurden, wohnten hier, bis sie im Jahr 1342 die Burg und die Stadt an die Grafen von Württemberg verkauften. Das Schloss Hohentübingen verlor bereits im 16. Jahrhundert seine Funktion als Wohnstätte der württembergischen Herzöge. Dafür begann die Eberhard Karls Universität Tübingen in der Mitte des 18. Jahrhunderts, Räumlichkeiten im Schloss zu nutzen. Im Jahr 1816 übergab König Wilhelm I. von Württemberg das gesamte Schloss offiziell an die Universität. Der Rittersaal beherbergte zeitweise die Universitätsbibliothek, während im Nord-Ost-Turm eine Sternwarte eingerichtet wurde. Zudem wurde in der Schlossküche ein Chemielabor eingerichtet, das heute als “Schlosslabor” kostenfrei besichtigt werden kann.
Als Teil des MUT (Museum der Universität Tübingen) beherbergt das Museum Alte Kulturen auf Schloss Hohentübingen eine archäologische Sammlung aus verschiedenen Epochen und Regionen. Es ist das einzige universitäre Museum weltweit, das Artefakte aus zwei verschiedenen UNESCO-Welterbestätten beherbergt: Innerhalb der Sammlung der Jüngeren Urgeschichte befinden sich Funde aus Feuchtbodensiedlungen, die seit 2011 Bestandteil des UNESCO-Welterbes “Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen” sind. In der Sammlung der Älteren Urgeschichte sind die ältesten überlieferten figürlichen Kunstwerke und Musikinstrumente der Menschheit zu finden, zum Beispiel Mammutelfenbeinfiguren. Diese stammen aus der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alb, die seit 2017 Teil des UNESCO-Welterbes “Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb” ist. Darüber hinaus gibt es im Tübinger Schlosskeller das “Große Fass”, das ab 1546 erbaut wurde und damit als das älteste erhaltene Riesenweinfass weltweit gilt. Dafür gab es sogar einen Weltrekord-Eintrag im Guinness-Buch.
Auch der Außenbereich des Schlosses hat uns sehr gut gefallen. Von der Schlossanlage genießt man wunderschöne Ausblicke in das Neckar- und Ammertal, auf die Stadt und die weitere Umgebung.
Sonstige Sehenswürdigkeiten
Bei unserem Rundgang durch die Stadt haben wir noch viele weitere historische Gebäude und sehenswerte Orte entdeckt. Laut unserem Parkticket haben wir exakt sechs Stunden für unseren Bummel benötigt inklusive einiger Pausen und dem Weihnachtsmarktbesuch. Uns hat unser Zwischenstopp in Tübingen richtig gut gefallen und wir können einen Besuch der Stadt sehr empfehlen.